Gedanken zum 18. Oktober 2024
von Pfarrer Ralf Honig
Herbstäpfel
Herbstäpfel. Wunderschön. Reif und schmackhaft leuchten sie rot zwischen den grünen Blättern und vor dem blauen Himmel. Eine richtige Idylle. Es kann einem bei diesem Anblick das Wasser im Mund zusammenlaufen. Einfach zum Reinbeißen!
Wie schön, wenn auch wir solche schmackhaften Früchte unseres Gottvertrauens hervorbringen! Von denen haben dann alle etwas, die ganze Schöpfung kann sich daran freuen. Unser Glaube ist dann kein Selbstweck, sondern bringt gute Früchte hervor.
Oder ist das in Wirklichkeit vielleicht ganz anders? Sehen andere uns realistischer als wir selber? Machen wir uns am Ende selber etwas vor? Leben wir gar nicht so, dass andere Menschen uns Christinnen und Christen zum Fressen gernhaben?
Jesus warnt in der Bergpredigt vor falschen Propheten mit den Worten: "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen." (Matthäus 7, 16) Wie ist das bei uns? Anders gesagt: Passen unser Glaube an Gott und unser Handeln zusammen? Bringen wir gute Früchte unseres Gottvertrauens hervor?
Eine ernste Anfrage nicht zuletzt im Blick auf die Bewahrung der Schöpfung. Können andere an unserem Verhalten erkennen, dass es uns ernst ist? Sind wir glaubwürdige Zeuginnen und Zeugen von Gottes Liebe zu aller Kreatur? Die Antwort auf diese Frage geben wir jeden Tag aufs Neue mit unserem ganzen Leben.
Gedanken zum 20. September 2024
von Pfarrer Ralf Honig
Alpenglühen
Alpenglühen. Ein sonniger Abend am Zugspitzmassiv. Golden glänzen die gewaltigen Felswände des Wettersteingebirges. Man kann sich daran gar nicht satt sehen. Ein wunderschönes Farbenspiel. Ganz unwirklich. Ein Traum. Ehrfurchtseinflößend.
Alpenglühen. Die Klimakatastrophe lässt die Temperaturen in den Alpen besonders stark steigen. Sie erhitzt die Berge. Der schmelzende Gletscher am Schneeferner wird bald ganz verschwunden sein. Der Permafrost, der die Felsen in den Gipfelregionen bisher zusammenhielt, taut ab und raubt dem Berg Stabilität. Schwere Fels- und Bergstürze sind die Folge. Millionen Tonnen Geröll und Eis drohen, sich durchs Tal zu wälzen. Leider ganz wirklich. Ein Albtraum. Furchteinflößend.
Alpenglühen. Unser Herz für Gottes wunderbare Schöpfung soll glühend heiß sein. Wir müssen endlich aufwachen aus unseren Träumen und Albträumen. Wir müssen in Gottes Namen von der Einsicht ins Handeln kommen. Noch können wir staunen. Noch können wir handeln. Noch ist es nicht zu spät.
Was Dietrich Bonhoeffer in der dunklen Zeit des NS-Terror-Regimes geschrieben hat, kann auch ein Leitsatz für unser Tun angesichts der Klimakatastrophe heute sein: „Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.“
Gedanken zum 23. August 2024
von Pfarrer Ralf Honig
Am Meer
Endlich wieder am Meer.
Ich atme tief ein.
Das Rauschen des Meeres beruhigt mich.
Der Wind bläst trübe Gedanken weg.
Mein Kopf wird frei.
Ich nehme wahr, was um mich ist:
Die salzige Luft,
die Spuren im Sand,
die wärmende Sonne auf meiner Haut.
Sanfte Wellen umspülen meine Füße.
Ich schließe die Augen.
Welch eine Fülle des Lebens!
Körper und Seele sind im Einklang.
Es tut so gut, hier zu sein.
Der weite Horizont,
sabbatliche Ruhe
und ein Hauch von Ewigkeit.
Gewaltig und wunderschön ist das Meer,
beständig wechselnd in seinen Farben.
Ich ahne etwas von der Größe
und Schöpfermacht Gottes.
Wieviel größer,
wie unvorstellbar groß ist er!
"Was ist der Mensch,
dass du seiner gedenkst,
und des Menschen Kind,
dass du dich seiner annimmst?"
(Psalm 8, 5)
Ich staune über das Wunder der Schöpfung
und spüre, dass Gottes Geist in ihr atmet.
Ich staune darüber,
dass der große Gott mit uns kleinen Menschen zu tun haben will.
Das unermessliche Meer
gibt mir ein Gespür dafür,
wie unermesslich seine Liebe zu allem Lebendigen ist.
Ich weiß mich geborgen
in einem Meer aus Liebe.
Was mich im Alltag bedrückt,
verliert an Bedeutung.
Ich werde ruhig und dankbar
für Gottes Nähe.
Endlich wieder am Meer.
Gott sei Dank!
Gedanken zum 5. Juli 2024
von Pfarrer Ralf Honig
Verschwenderische Schönheit
Gott ist verschwenderisch – zu unseren Gunsten. Das Beste ist ihm für uns gerade gut genug. Die Schönheit und die Farben der Natur erfreuen immer wieder unsere Sinne, besonders jetzt im Sommer. Gott lässt es an nichts fehlen. Er überschüttet uns mit Gutem. Wenn wir offene Augen und Herzen haben, kommen wir gar nicht aus dem Staunen heraus. Kinder können da ein gutes Vorbild sein, sie können es noch!
Auch wir Menschen sind verschwenderisch – allerdings zu unseren Ungunsten. Noch immer beuten wir unseren Planeten brutal aus und produzieren unaufhörlich Müll und Schadstoffe. Das spricht Gottes lebensdienlichem Willen regelrecht Hohn und schadet uns selber als der Teil der Schöpfung. Wenn wir offene Augen und ein waches Gewissen haben, können wir nur den Kopf über uns selber schütteln.
Wo ist ein Ausweg aus unserem selbstzerstörerischen Handeln? Auch wir brauchen ein großes Herz und Mut zur Umkehr. Wir müssen endlich lernen, die Welt mit Gottes Augen zu sehen, mit den Augen der Liebe. Dann werden wir neue Wege gehen. Gott liebt diese Welt und ver-traut sie uns an - was für ein Aufgabe, die er uns da zumutet, aber auch zutraut! Wenn unser Staunen zur Dankbarkeit und zum Handeln in Gottes Namen führt, ist es noch nicht zu spät.
Vielleicht ist das Gebet ein Anfang. Und das braucht unser Herz. Der Religionsphilosoph Martin Buber hat dazu gesagt: „Wir können nur mit Gott reden, wenn wir unsere Arme um die Welt legen.“ Fangen wir also an damit.
Gedanken zum 7. Juni 2024
von Pfarrer Ralf Honig
Im Zeichen des Kleeblatts
Trinitatiszeit. Die Sonntage werden in der zweiten Hälfte des Kirchenjahres nach dem Fest des dreieinigen Gottes gezählt. Langes theologisches Nachdenken über das Wesen Gottes hat zu diesem Begriff Dreieinigkeit geführt: Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist – und doch der eine Gott, keine drei Götter. Ein Versuch, etwas mit dem Verstand zu erfassen, das zu groß für ihn ist. Wie ist das zu begreifen?
Wie so oft auch in der Bibel helfen Beispiele aus der Natur, um sich den Geheimnissen des Glaubens anzunähern. Der Heilige Patrick hat bei seiner Missionsarbeit die Natur zu Hilfe genommen. Ein Symbol für die grüne Insel Irland ist seit langem das Kleeblatt. Es gibt dort viele davon, meistens dreiblättrig. Also drei Blätter, und doch sagt man Kleeblatt – nicht: Kleeblätter. Drei sind eins. Patrick hat zu den Menschen damals gesagt: Schaut, das Kleeblatt weist auf den Gott hin, der uns in drei Personen begegnet: Gott, der Vater, der die Welt erschaffen hat. Gott, der Sohn, der die Welt erlöst hat. Gott, der Heilige Geist, der die Welt belebt. Und doch der eine Gott.
Wenigstens eine Annäherung an die Dreieinigkeit. Sie macht anschaulich, was nicht zu sehen ist. Es füllt mit Erfahrung, was jenseits aller Erfahrungen liegt. Wir brauchen solche Bilder, solche Vergleiche. Wie gut, dass Gott sie uns in der Natur vor Augen stellt!
Dazu folgender irischer Segenswunsch:
Dreifaltigkeit
Drei Falten hat das Gewand des Priesters -
und doch ist es gewebt aus einem Stück.
Drei Glieder hat der Finger -
und doch bewegen sie sich gemeinsam.
Dreiblättrig ist der Klee -
und doch sagt man nur Kleeblatt.
Raureif, Schnee und Eis –
alles zergeht zu Wasser.
Drei Personen sind in Gott -
und doch ist er immer derselbe ein-heilige.
Gedanken zum 3. Mai 2024
von Pfarrer Ralf Honig
Neue Wege
Weg durch den grünen Westpark. Keine unübersichtlichen Stellen, keine Gefahr, sich zu verlaufen. Keine schwierigen Entscheidungen. Der Weg ist hier das Ziel.
Im Blick auf die Klimakatastrophe ist das nicht so leicht. Welche Wege sind da zielführend? Wegweiser sind die seit Jahrzehnten vorliegenden Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung. Sie sind keine Meinung, sondern beschreiben Tatsachen. Es ist vernünftig, ihnen zu folgen. Warum nur tun wir uns trotzdem so schwer damit? Wir wissen längst, was das Richtige und Wichtige ist. Aber wir ziehen nicht die richtigen Schlüsse daraus. Wir schaffen es nicht, von der Einsicht zum Handeln zu kommen.
Gott hat uns doch den dafür nötigen Verstand geschenkt. Aber wir brauchen auch Herz und Mut. Wir brauchen seinen Geist, der uns in Bewegung setzt. Das Lied "Vertraut den neuen Wegen" beschreibt das in vorpfingstlicher Erwartung sehr gut:
Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist,
weil Leben heißt: sich regen, weil Leben wandern heißt.
Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand,
sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land.
Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit!
Gott will, dass ihr ein Segen für seine Erde seid.
Der uns in frühen Zeiten das Leben eingehaucht,
der wird uns dahin leiten, wo er uns will und braucht.
Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt!
Er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land.
Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit.
Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.
(Klaus-Peter Hertzsch, EG 395)
Gedanken zum 12. April 2024
von Pfarrer Ralf Honig
Wie neugeboren
Es ist noch immer Osterzeit - Gott sei Dank! Denn die Welt braucht doch die Botschaft von der Auferstehung so nötig, die Botschaft, dass das Leben stärker ist als der Tod. In den ganzen Krisen dieser Zeit sehen viele nur noch schwarz für das Leben auf unserer Erde. Und auch alle Kreatur leidet unter dem zerstörerischen Tun von uns Menschen, das uns an den Rand des Abgrunds gebracht hat.
Der Apostel Paulus hat schon vor 2000 Jahren Bemerkenswertes dazu geschrieben: "Auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt." (Römer 8, 21-22). Niemals konnten Menschen das deutlicher sehen und spüren als heute!
Paulus aber stellt das in die Perspektive einer österlichen Hoffnung. Um im Bild von Wehen und Geburt zu bleiben: Durch das Osterwunder dürfen wir uns mit der ganzen Schöpfung wie neugeboren fühlen - Quasimodogeniti, wie der Sonntag genannt wird, mit dem diese Woche begonnen hat. Und als Neugeborene, als Menschen, die befreit sind von den Irrwegen der Vergangenheit, als Menschen, die ihr Leben trotz aller Dunkelheit im Licht Gottes sehen, können wir ein Hoffnungszeichen für die Welt sein. Das ist in Gottes Namen unsere Aufgabe als Osterchristinnen und -christen.
Die Osterzeit ist deshalb auch eine gute Zeit, uns an unsere Taufe erinnern zu lassen. Das Wasser der Taufe symbolisiert die innere Abwaschung von Schuld und die Befreiung zu einem neuen Leben. Ja, wir können uns wirklich wie neugeboren fühlen. Und wenn wir unser Leben dadurch neu ausrichten, wird es uns Gottes gute Schöpfung danken!
Gedanken zum 15. März 2024
von Pfarrer Ralf Honig
Naturwunder Vögel
Der Frühling naht. Und mit ihm spüren wir wieder verstärkt die Gegenwart der Vögel um uns herum. Was für ein Naturwunder sind doch Vögel! In dem Buch "Superkräfte der Vögel" erzählt die Vogelguckerin Silke Hartmann, was die Vögel so besonders macht. Und das ist eine erstaunliche Menge.
Vögel verzaubern uns regelrecht, wenn wir über ihre Flugkunst staunen. Darum beneiden wir Menschen sie doch sehr. Ohne ihren vielfältigen Gesang wäre unsere ganze Lebenswelt wie tot. Vogelgezwitscher berührt unser Herz, muntert uns auf und lässt uns im besten Fall unsere Sorgen vergessen. Die Gesellschaft von Vögeln ist heilsam für unsere Seele. Auf bemerkenswerte Art nutzen sie all ihre fünf Sinne. Sie hören und sehen besser als wir. Und Zugvögel haben sogar einen zusätzlichen, ganz besonderen sechsten Sinn für ihre weiten Flüge. Und intelligent sind sehr viele dieser Tiere auch außerordentlich. Und sehr schön. Und sozial in ihrem Verhalten.
Wenn wir am Balkon oder im Garten lebensfreundliche Bedingungen für sie schaffen, werden wir durch ihre heilsame Gegenwart am Ende selber immer wieder beschenkt. Jeder Vogel ist eine eigene Persönlichkeit. In der Gegenwart eines Vogels ist es sehr schwer, schlechte Laune zu haben. Was für ein wunderbares Geschenk Gottes, dass wir mit ihnen auf der Erde leben dürfen!
Vögel singen
in einer Welt
die krank
lieblos
ungerecht ist
vielleicht
haben sie recht
(Andrea Schwarz, EG, S. 543)